Nord-Stream-Pipelines
EU prüft Sicherheit kritischer Infrastruktur: Das wissen wir bisher zu den Pipeline-Lecks
Stand 29.09.22 - 12:00 Uhr
0
«Sehr intelligenter Anschlag»: Nach der mutmaßlichen Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines plant die EU Belastungstest für die kritische Infrastruktur. Die UN ist besorgt wegen möglicher Umwelt-Folgen.
Das Nord Stream 1-Gasleck in der Ostsee, fotografiert aus einem Flugzeug der schwedischen Küstenwache.
Wer steckt hinter der mutmaßlichen Sabotage?
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hat die mutmaßliche Sabotage an den Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 als Warnruf bezeichnet und einen Belastungstest für die kritische Infrastruktur in Europa angekündigt.
- Anzeige -«Wir (die EU-Kommission) werden uns jetzt an alle Mitgliedstaaten wenden und wir werden einen Belastungstest durchführen in Bezug auf die kritische Infrastruktur», sagte die Schwedin im ZDF-«heute journal».
Angesichts der Lecks in den Pipelines sprach sie von einem «Anschlag», der eine «Eskalation» und «eine Bedrohung» sei. «Soweit ich es beurteilen kann, ist es ein sehr intelligenter Anschlag, der nicht verübt worden sein kann von einer normalen Gruppe von Menschen», sagte die Kommissarin. Das Risiko sei groß, dass ein Staat dahinter stehe. «Wir haben natürlich einen Verdacht. Aber es ist zu früh, das abschließend zu beurteilen.»
US-Außenministerium: «Derzeit mehr Fragen als Antworten»
Ähnlich vorsichtig äußerte sich auch der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, zu möglichen Verursachern der Pipeline-Lecks. «Wir haben derzeit mehr Fragen als Antworten.» Die US-Regierung wolle keine Mutmaßungen über mögliche Hintermänner einer Sabotage-Aktion anstellen, bis Untersuchungen an den Erdgasleitungen abgeschlossen seien.
- Anzeige -In der Nacht zum Montag war zunächst in einer der beiden Röhren der nicht genutzten Pipeline Nord Stream 2 ein starker Druckabfall festgestellt worden. Später meldete der Nord-Stream-1-Betreiber einen Druckabfall auch in diesen beiden Röhren. Dänische Behörden entdeckten schließlich insgesamt drei Lecks an den beiden Pipelines. Inzwischen sind insgesamt vier Lecks gemeldet worden.
Mehrere Länder brachten bereits am Dienstag einen Anschlag auf die europäische Gasinfrastruktur als Ursache für die als beispiellos geltenden Schäden ins Spiel. Die EU und die Nato gehen von Sabotage aus. Der Kreml hatte Spekulationen über eine russische Beteiligung an der Beschädigung der Pipelines als «dumm und absurd» zurückgewiesen.
Russland leitet angeblich eigene Ermittlungen ein
Die russische Generalstaatsanwaltschaft leitete derweil nach eigenen Angaben ein Verfahren wegen internationalen Terrorismus ein. Moskau begründete den Schritt damit, dass mit der Beschädigung der Pipelines «Russland erheblicher wirtschaftlicher Schaden zugefügt» worden sei.
Gazprom hatte bis Ende August durch Nord Stream 1 Gas nach Europa gepumpt, diese Lieferungen dann aber unter Verweis auf technische Probleme, die sich wegen Sanktionen angeblich nicht lösen ließen, eingestellt. Die Bundesregierung nannte die Begründung vorgeschoben und vermutete politische Beweggründe hinter dem Lieferstopp.
- Anzeige -Nord Stream 2 war ebenfalls mit russischem Gas befüllt. Moskau hat die Pipeline in den vergangenen Monaten immer wieder als möglichen Ersatz für Nord Stream 1 angeboten, allerdings wurde die Leitung von Deutschland nicht zertifiziert. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gilt eine Inbetriebnahme als ausgeschlossen.
Die als kremlnah geltende Internetzeitung lenta.ru berichtete, dass ein US-Hubschrauber von Sonntagabend bis Montagmorgen neun Stunden lang etwa 250 Kilometer von der dänischen Insel Bornholm entfernt über die Ostsee gekreist sei. Die Zeitung berief sich auf Daten von Flightradar. Der Mehrzweck-Helikopter MH-60R Strike Hawk könne auch Unterwasserziele bekämpfen, betonte die Internetzeitung.
Die Pipeline-Lecks befinden sich in internationalen Gewässern in den Wirtschaftszonen Dänemarks und Schwedens in der Nähe von Bornholm. In der Region wurden Anfang der Woche Explosionen registriert.
«Volle Unterstützung» der US-Regierung
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sprach wegen der Pipeline-Vorfälle mit seinem dänischen Kollegen Morten Bødskov. Dabei bot Lloyd Dänemark mit Blick auf die beginnenden Untersuchungen der «Explosionen» die «volle Unterstützung» der US-Regierung an, wie das Ministerium mitteilte. «Die Vereinigten Staaten bleiben der Sicherheit in der Ostsee und ihrem langjährigen Verbündeten Dänemark verpflichtet», hieß es. Die Minister seien sich einig gewesen, im weiteren Verlauf der Angelegenheit zusammenarbeiten, so das US-Ministerium.
- Anzeige -Ex-BND-Präsident Gerhard Schindler vermutet Russland hinter den Pipeline-Lecks, weil es seiner Ansicht nach die meisten Vorteile von den Beschädigungen hat. «Der Stopp der Gaslieferungen kann jetzt einfach unter Hinweis auf die defekten Leitungen begründet werden, ohne dass man angebliche Turbinenprobleme oder andere wenig überzeugende Argumente für den Bruch der Lieferverträge vorschieben muss», sagte Schindler der «Welt».
Eine «unbemerkte, konspirative Beschädigung von Pipelines in 80 Meter Tiefe in der Ostsee» weise zudem klar auf einen staatlichen Akteur hin. Schindler war von Ende 2011 bis Mitte 2016 Chef des BND.
Sorge um Klima und Umwelt
Ein UN-Sprecher äußerte sich unterdessen besorgt über die möglichen Auswirkungen der Pipeline-Lecks auf die Umwelt. Man hoffe, das die zuständigen Stellen, die Lecks schnellstmöglich versiegelten.
Laut dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) ist der Einfluss der Lecks iauf den Klimawandel aber vergleichsweise gering. «Das Klimageschehen wird dadurch nicht verändert», sagte IOW-Forscher Oliver Schmale in Rostock. Nichtsdestotrotz entspreche die Gesamtmenge von 500 Millionen Kubikmetern Erdgas, die nach Annahmen verschiedener Medien aus den Leitungen entweichen kann, rund 18 Prozent des Jahresausstoßes an Methan in Deutschland im Jahr 2021. Im globalen Vergleich sind es Schmale zufolge jedoch lediglich 0,06 Prozent. Das aus der Pipeline entweichende Erdgas besteht den Angaben nach zu rund 97 Prozent aus Methan.
Der Wissenschaftler will den Schaden, der vom Treibhausgas Methan ausgelöst wird, jedoch nicht kleinreden. Der Treibhausgaseffekt sei bei Methan rund 25-mal stärker als bei CO2.
Bleib immer bestens informiert!
Mit unserem kostenlosen 95.5 Charivari-Newsletter verpasst du keine Highlights mehr. Von Top-Konzerten über exklusive Gewinnspiele bis hin zu Einblicken in Larissa Lannert live - wir liefern dir wöchentlich alles Wichtige direkt in dein Postfach.
Mehr Beiträge und Themen
Mehrere Kriminelle überfallen ein Schmuckgeschäft in der Münchner Innenstadt. Die Polizei sucht mit zahlreichen Kräften nach den Flüchtigen.
Zum 15. Dezember ändert sich der Fahrplan im Münchner Nahverkehr. Was du beachten musst und welche Linien jetzt wie fahren, erfährst du hier.
Der Wirtschaftsausschuss des Münchner Stadtrats hat die Tür für weitere Automobilausstellungen weit geöffnet. Jetzt hat der gesamte Stadtrat entschieden.
Auf Google Street View sind manchmal kuriose Bilder und lustige Szenen zu sehen. In Spanien könnte der Online-Dienst aber nun zur Aufklärung eines Verbrechens in einem entlegenen Dorf beitragen.
Wer seine Weihnachtsgeschenke online bestellt, könnte Überraschungen erleben: In den nächsten Tagen will die Gewerkschaft im Tarifkampf die Daumenschrauben anziehen.
Nach der Vertrauensfrage geht es Schlag auf Schlag. Union, SPD und Grüne präsentieren, womit sie bei den Menschen punkten wollen. Deutlich werden Unterschiede - und Schnittmengen.
Nachdem Kanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage gestellt hat, verliert er die Mehrheit im Bundestag - und der Weg ist frei für Neuwahlen.
Das Jahr 2025 bringt zahlreiche Änderungen für Verbraucher mit sich: Von höheren Sozialleistungen und Mindestlohn über neue Regelungen bei Pflege und Nachhaltigkeit bis hin zu steigenden Kosten für Energie und Mobilität. Erfahre hier, was sich konkret ändert und worauf du dich einstellen solltest!
Alle Jahre wieder beschenken wir uns zum Weihnachtsfest - doch nicht jedes Präsent sorgt für Freude. Wer schneidet gut ab - und wer nicht?
In der Münchner Innenstadt kommt es derzeit zu Sperrungen - ein LKW steckt in der Maximilianstraße unter einem Baugerüst fest.
DESK
Keine Lust sich jedes Jahr die Gleichen langweiligen Kalender an die Wand zu hängen? Wir haben für euch die verrücktesten, skurrilsten Exemplare fürs neue Jahr rausgesucht.
Wer es 2024 mit einem Knall verabschieden möchte ist auf großen Silvesterpartys genau richtig. Hier seht ihr, wo ihr in der Stadt am besten ins neue Jahr reinfeiert.
An Heiligabend bricht in einem Seniorenheim in der Münchner Altstadt ein Feuer aus. Das Gebäude wird evakuiert, mehrere Bewohner werden leicht verletzt.
Welche Lehren lassen sich aus der Magdeburger Todesfahrt ziehen - gab es Versäumnisse der Behörden? Politiker versuchen, sich diesen Themen zu nähern. In Bremerhaven gab es eine neue Drohung.
Auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg kam es offenbar zu einem Anschlag. Ein Auto ist in eine Menschengruppe gefahren. Der Täter wurde festgenommen.
Entdecke zauberhafte Winterziele in und um München: Vom glitzernden Spitzingsee bis hin zum Schlosskanal Nymphenburg. Lass dich inspirieren und plane deinen perfekten Ausflug in die winterliche Natur!
Am Ende gab es doch eine große Mehrheit: Der Bundestag votiert für ein höheres Kindergeld und steuerliche Entlastungen ab Anfang 2025.